Bei CMD, der craniomandibulären Dysfunktion, handelt es sich um einen Oberbegriff für alle Arten schmerzhafter Funktionsstörungen im Bereich der Kiefergelenke. Diese lösen Schmerzen und Verspannungen bis in den Kiefer- und Rückenbereich aus, oft sogar bis in den Bewegungsapparat hinein, ganz zu schweigen von Kopf- und Zahnschmerzen und massiven Kau-Beschwerden. Etwa 8 Prozent der deutschen Bevölkerung sind von CMD betroffen.
Auf dem 65. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) vom 10. bis 13. Juni 2015 in Stuttgart wurden nun Studienergebnisse eines Greifswalder Chirurgenteams vorgestellt, die das Problem CMD und seine Entstehung aus einem völlig neuen Blickwinkel beleuchten.
Die Diagnose und vor allem die Feststellung der Ursachen eines CMD sind selten so eindeutig, wie Patienten und Therapeuten sich das wünschen.
Erstmals untersuchte nun die genannte Studie, ob und inwieweit Angststörungen oder Depressionen ihrerseits einen Einfluss auf die Entstehung dieses Syndroms haben oder dieses gar auslösen könnten.
Viel zu häufig werden Funktionsstörungen im Kieferbereich allein auf die Okklusion, eine mangelhafte oder schiefe Position von Zähnen oder Zahnersatz reduziert. Gebiss und Kiefer werden dann jeweils entsprechend „bearbeitet“, um die Beschwerden zu behandeln. Dabei sollten Zahnersatz oder Zahnbestands-Veränderungen allgemein erst als allerletztes Mittel eingesetzt werden, so befanden die Experten. Einerseits könnten oft schon Aufbiss-Schienen oder gezielte Entspannungsarbeit viele Beschwerden ohne größere Eingriffe lindern.
Andererseits kommen Begriffe wie „die Zähne zusammenbeißen“ nicht von ungefähr. Auch mit den Zähnen zu knirschen ist ein Zeichen starker innerer Anspannung, oft mit bösen Folgen für Zähne und Kiefer. Daher lag der Zusammenhang mit psychischen Problemen durchaus nahe, nur als Ursache wollte man sie bisher nicht sehen.
Bei schweren Fällen einer Kieferfunktionsstörung sollten jedoch andere Faktoren zur Beurteilung und zur Behandlung mit einbezogen werden. Weil CMD häufig nachts auftritt und die Schlafqualität erheblich beeinträchtigt, erkannten Wissenschaftler zuerst den Zusammenhang zwischen Kieferproblemen, Schlafstörungen und Psyche.
Für die Studie wurden erstmals repräsentative Fallstudien über fünf Jahre hinweg herangezogen, Depression, Angststörung und CMD vorab jeweils möglichst eindeutig definiert und insgesamt 3006 Studienteilnehmer nach strengen Kriterien für die Erhebung des Greifswalder Teams ausgewählt. Das Altersmittel betrug dabei 49 Jahre. Die Ergebnisse bestätigten die Vermutung: Patienten mit Depressions- oder Angststörungs-Symptomen wiesen signifikant häufiger Schmerzen im Kiefergelenk und Muskelschmerzen auf als andere Betroffene.
Entsprechend empfehlen sich in diesen Fällen auch ganz andere Behandlungsansätze: Eine Behandlung der depressiven Störungen, das Erlernen von Entspannungstechniken oder ein besserer Umgang mit Stress können bereits viele Beschwerden bessern, lange vor einem kieferchirurgischen Eingriff.
aktualisiert am 16.07.2015